Die Mehrheit der Kantone wird es schon richten: Manch ein «No Billag»-Gegner vertraut auf ein Ständemehr gegen die Initiative, das sie sicher versenken würde. Doch die Hoffnung ist unbegründet, wie ein Blick auf die Ergebnisse der RTVG-Abstimmung von 2015 zeigt. Eine Auslegeordnung von «Medienwoche»-Chefredaktor Nick Lüthi*.
Für ihn ist es eine Gewissheit: «An dieser Hürde wird No Billag auf jeden Fall scheitern», bloggt der früherer Ex-SRG-Kadermann Rainer Keller. Auch René Hildbrand, langjähriger TV-Kritiker, sieht «No Billag» «mindestens am Ständemehr scheitern». Und auch im persönlichen Gespräch vernimmt man regelmässig Stimmen von Gegnern der Initiative, die auf das rettende Ständemehr hinweisen. Ihre Rechnung geht in etwa so: sämtliche lateinischen Kantone, dazu die Bergkantone, sowie Kantone mit grossen, links dominierten Städten, wie Bern, Basel und Zürich sorgen für das rettende Ständemehr.
Nur: Diesen angeblich sicheren Rettungsanker gibt es nicht. Genau das Gegenteil ist wahrscheinlich und wird auch von Fachleuten als realistisches Szenario betrachtet: Eine Mehrheit der Kantone wird der «No Billag»-Initiative zustimmen. Deutlichstes Indiz dafür sind die Ergebnisse der Referendumsabstimmung zur RTVG-Revision vom Juni 2015, als eine die Haushaltsabgabe für die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks von einem hauchdünnen Volksmehr angenommen wurde. Das Ständemehr spielte damals keine Rolle. Andernfalls wäre die Vorlage gescheitert, stimmten doch nur gerade sieben Kantone der Vorlage zu.
Anders als beim fakultativen Referendum (RTVG-Revision) erfordert die Annahme einer Volksinitiative (No Billag) neben dem Volks- auch das Ständemehr. Dass die Gebührenabschaffungsinitiative diese Hürde nehmen wird und die Gegner der Vorlage vergeblich auf ein Scheitern an den Kantonsstimmen hoffen, davon ist auch Lucas Leemann überzeugt. Leemann führt mit seinem Unternehmen Leewas Umfragen zur «No Billag»-Abstimmung im Auftrag von Tamedia durch. «Im Moment sieht es danach aus, als würden die Konfliktlinien ähnlich liegen wie bei der RTVG-Abstimmung», teilt Leemann auf Anfrage mit. Was demnach bedeute, dass «das Ständemehr in diesem konkreten Fall kein Problem sein sollte» für die Initiative. Eine andere Parallele zur RTVG-Abstimmungen sieht Thomas Milic von der Forschungsstelle Sotomo: «Die konservativen Kantone – und sie spielen für das Ständemehr gewöhnlicherweise eine überproportional starke Rolle – waren gegen das RTVG und sie dürften auch bei der «No Billag»-Initiative wohl eher zu den Ja-Kantonen zählen.»
Dass mit dem zu erwartenden Ständemehr eine erste Hürde bereits so gut wie übersprungen ist, verleitet Andreas Kleeb nicht zu Freudensprüngen; gewonnen ist damit noch gar nichts. Doch für den Mitinitianten von «No Billag» spielt es durchaus eine Rolle zu wissen, welche Kantone die Vorlage mit grösserer Wahrscheinlichkeit annehmen. Zur Zeit analysiere das Komitee, welche Kantone sie mit der Ja-Kampagne stärker beackern wollen. «Weil wir beschränkte Mittel haben, ist es wichtig, sie effizient einzusetzen», sagt Kleeb im Gespräch mit der MEDIENWOCHE.
Beim gegnerischen Komitee «Nein zum Sendeschluss» heisst es, die Aussicht, das Ständemehr wahrscheinlich zu verfehlen, habe keinen Einfluss auf die künftige Strategie; also kein besonderer Effort in konservativen Kantonen, die für das Ständemehr entscheidend sein könnten. Eine Regionalisierung der Kampagne findet über das Plakatmotiv statt, wo auf neun verschiedenen Sujets jeweils das Logo eines lokalen Senders prominent auf dem Elektroschrotthaufen zu sehen ist, der das Ende der Service-public-Medien symbolisieren soll.
Was am Ende den Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben wird, ist bei einem derart knapp zu erwartenden Ergebnis nicht vorauszusagen. Für eine endgültige Prognose hilft aber der Blick auf die Ergebnisse der RTVG-Abstimmung nicht weiter.
* Dieser Text ist zuerst in der «Medienwoche» erschienen, darf aber mit der Zustimmung des Autors hier aufgeschaltet werden.