Er schaut immer noch genau hin – und er schreibt weiterhin Klartext: Helmut Hubacher, Alt-Nationalrat und Publizist. In ein paar Abschnitten zerpflückt er «No Billag» als „irre“. Diese drei Minuten Lektüre sind sehr gut investiert.
Alles ist möglich. Etwa ein politischer Kurzschluss für Radio und Fernsehen Schweiz. Am 4. März 2018 stimmen wir über die «No-Billag»-Initiative ab. Darüber, ob Radio und Fernsehen SRF der Geldhahn abgestellt werden soll. Ja würde bedeuten, aus und Amen, das wär’s dann gewesen. Wir haben Gegner, für die gibt es «Zwangsgebühren» für ein «Staatsfernsehen». Das wird bewusst aufgeregt skandalisiert. Staat ist für sie ein Schimpfwort. Wir, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, sind der Staat. Wir wählen die staatlichen Organe in den Gemeinden, Kantonen und im Bund. Der Bundesrat erteilt die Konzession für Radio und Fernsehen an die SRG sowie das Inkasso der Gebühren an die Firma Billag. Die SRG – die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft – ist ein öffentlich-rechtlicher Verein. Jedermann kann Mitglied werden. Demokratie pur.
Man kann alles schlechtreden. So lange, bis die brave Tante ein Luder geworden ist. Um dem «Staatsfernsehen» zu entgehen, könnte man die UBS als Konzessionsbehörde einsetzen, deren Hauptaktionäre der Staatsfonds von Singapur, Financiers aus aller Welt und Scheichs sind.
Unser Staat ist zuständig für die öffentliche Infrastruktur. Der Bund für SBB, Post, Swisscom, SRG, ETH, Autobahnen; die Kantone für Spitäler, Privatbahnen, Schulen, Strassen; die Kommunen für Kehrichtabfuhr, Fernheizung, Verkehrsbetriebe und so weiter. Der Mix Privatwirtschaft, Genossenschaften, öffentliche Dienste ist unser Erfolgsmodell.
Ein Ja am 4. März nächsten Jahres hinterliesse ein Debakel ohnegleichen. Eine Schweiz ohne öffentliches Radio und Fernsehen – absolut irre. Alle reden vom Fernsehen. Der Renner ist das Radio. Allein die Morgensendung ab 5 Uhr hat täglich 1,6 Millionen Zuhörer.
Ein Fernsehprogramm ist die Kunst des Unmöglichen. Was dem einen gefällt, lehnt die andere ab. Für mich sind «Schweiz aktuell» und «Tagesschau» ein Muss, «SF bi de Lüt» weniger. Für meinen Bekannten Fritz in Suhr schon. Vermissen würde ich speziell die Dok-Filme, Krimi, besonders von Donna Leon, Fussball, Informationssendungen.
Matchs wie FCB–YB oder Schweiz–Nordirland (Foto) wären passé. Es bliebe noch die Bundesliga. Ein paar Schweizer spielen ja dort. Gelegentlich sähe ich Goalie Yann Sommer von Mönchengladbach. Eine himmeltraurige Perspektive.
Ich höre zum Fernsehprogramm oft: «Gar nicht so schlecht.» Bei der helvetischen Scheu für ein Lob erinnert das fast schon an ein schüchternes Kompliment. Bestimmt kein Grund, die Beziehungen abzubrechen. Warum ist denn Fernsehen dermassen umstritten? Nur wegen der Gebühren? Schwer zu beantworten. Ich vermute, Roger de Weck als SRG-Boss hat zu viel riskiert, provoziert und brüskiert. Der Mann war für diesen Job zu brillant und dominant. Zu viel elitäres Ich, zu wenig bescheidenes Wir.
Ich schwärmte kürzlich über die direkte Demokratie. Sogar über Kuhhörner stimmen wir ab. Ich mag gar nicht daran denken, es könnte am 4. März fallieren. Wir sind doch nicht so bedeppert, uns selber in ein mediales Loch, in ein mediales Nichts zu versenken. Joachim aus dem benachbarten Freiburg ist besorgt: «Ihr seid nicht etwa verrückt geworden, euer Radio und Fernsehen abzuschaffen.» Keine Angst, nein, meschugge sind wir nicht. Ich zähle auf euch, meine Lieben.
* Diese Kolumne von Helmut Hubacher erschien zuerst in der «Basler Zeitung». Der Verlag hat uns die Einwilligung für die Zweitverwendung gegeben.