Wichtige Fragen und Antworten rund um die Initiative

Bald stimmen Sie über die No-Billag-Initiative und somit über die Medienvielfalt in der Schweiz ab. Das müssen Sie dazu wissen:

Was bedeutet No-Billag?

Die Inkasso-Stelle der Gebühr heisst Billag. In der Schweiz spricht man deshalb auch von der «Billag-Gebühr». Die Volksinitiative: «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)» wird daher auch No-Billag-Initiative genannt, weil sie diese Gebühren abschaffen will.

Die Initianten argumentieren, es handle sich um «Zwangsgebühren», welche die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Bürger einschränkten, weil alle für das gesamte Angebot bezahlen müssten auch wenn sie es nicht nutzen. Die Initiative lockt mit einer Stärkung der Volkswirtschaft und sie verspricht eine Entlastung der Konsumentinnen. Den Initiativtext finden Sie unter dem Menupunkt «Die Initiative».

Vordergründig gibt die Initiative vor, auf die Empfangsgebühren (Billag) zu zielen, ihre wahre Absicht ist jedoch die Abschaffung resp. die Zerschlagung der SRG als öffentliche Anbieterin von unabhängigem Radio und Fernsehen in vier Sprachen für die Schweiz.

Was sind das für Radio- und Fernsehgebühren?

Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG finanziert sich zu 75 Prozent durch Gebühren und zu 25 Prozent über Werbung. Wer in der Schweiz lebt, muss Empfangsgebühren bezahlen, das ist gesetzliche Pflicht, egal, welche Sendungen man hört oder schaut – und egal, ob über Kabel, Satellit, Antenne, Handy oder Internet. Diese Gebühren betragen 0,74 Prozent eines durchschnittlichen Schweizer Jahreseinkommens (61'152 Franken): 451 Franken pro Jahr – davon entfallen 165 Franken auf den Radioempfang und 286 Franken auf den TV-Empfang.

67,5 Millionen Franken Gebührengelder kommen privaten Veranstaltern zu. Bei den zwölf kommerziellen Radios reicht der Gebührenanteil von etwas über 1 Million bis zu 2,8 Millionen Franken jährlich. Die neun komplementären Privatradios beziehen im Durchschnitt über eine halbe Million Franken an Gebührengeldern. Und für die 13 Regionalfernsehen werden je Sender zwischen 2,6 Millionen und 4,1 Millionen Franken aufgewendet.

Wozu werden Radio- und Fernsehgebühren erhoben?

Mit den Empfangsgebühren werden neben privaten, lokalen und regionalen Radio- und Fernsehveranstaltern, welche gemäss ihrer Konzession einen besonderen Leistungsauftrag erfüllen, hauptsächlich die Programme der SRG finanziert.

Sie ermöglichen gleichwertige Programmangebote der SRG in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz sowie Sendungen in Rätoromanisch.

Die SRG ist zudem verpflichtet, einen besonderen gesellschaftlichen Auftrag im Zeichen des Service public zu erfüllen: Ihre Programme müssen die gesamte Bevölkerung in allen Sprachregionen erreichen sowie zur Bildung, freien Meinungsbildung, kulturellen Entfaltung und Unterhaltung beitragen.

Ausserdem werden damit Beiträge an die Förderung neuer Technologien sowie die Nutzungsforschung geleistet und die Kosten für die Frequenzverwaltung (Bakom) und für die Erhebung der Empfangsgebühren gedeckt.

Wie wird öffentlich-(rechtliches) Radio und Fernsehen bei unseren Nachbarn finanziert?

Deutschland

Jeder Haushalt bezahlt einen «Rundfunkbeitrag» von 230 Franken. Bei Unternehmen ist die Grösse massgebend.

Total Rundfunkbeitrag für Radio und TV: 8.2 Mrd. Franken; Gesamtbudget*: 9,4 Mrd. Franken; 1 Sprache; Population: 82,7 Millionen

Frankreich

Jeder Haushalt bezahlt eine Gebühr von 150 Franken. Bei Unternehmen ist der «Unternehmenstypus» und die Anzahl genutzter Geräte massgebend.

Gebühren für Radio und TV: 2,6 Mrd. Franken; Gesamtbudget: 3,5 Mrd. Franken; 1 Sprache; Population: 66,9 Millionen

Österreich

Jeder Haushalt und jedes Unternehmen im Besitze eines Radios oder eines TVs bezahlt eine Gebühr von 309 Franken.

Gebühren: 649 Mio. Franken; Gesamtbudget 1,1 Mrd. Franken; 1 Sprache; Population: 8,7 Millionen

Italien

Jeder Haushalt bezahlt eine Gebühr von 109 Franken (seit 2017 100 Franken). Bei Unternehmen ist der «Unternehmenstypus» massgebend.

Gebühren: 2,1 Mrd. Franken; Gesamtbudget: 3,1 Mrd. Franken; 1 Sprache; Population: 60,6 Millionen

Schweiz

Jeder Haushalt im Besitze eines Empfangsgeräts (Radios, TV, Computer, Smartphone) bezahlt eine Gebühr von 165 Franken für Radio, 286.10 Franken für Fernsehen oder 451.10 Franken für beides (ab 2019 365 Franken). Bei kommerzieller Nutzung durch Unternehmen ist die Anzahl Geräte massgebend.

Gebühren: 1,2 Mrd. Franken; Gesamtbudget: 1,6 Mrd. Franken; 4 Sprachen; Population: 8,4 Millionen

Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2016 und wurden von der European Broadcast Union (EBU) erhoben und im November 2017 publiziert.
*Inkl. kommerzielle Erträge.

Werden die Radio- und Fernsehgebühren immer höher?

Die Höhe der Radio- und Fernsehgebühren wird vom Bundesrat festgelegt. Bereits 2015 hat er angekündigt, dass sie unter die 400 Franken sinken sollen. Mit dem Systemwechsel zur Haushaltsabgabe ab 2019 betragen sie noch einen Franken pro Tag oder 365 Franken im Jahr. Dies hat der Bundesrat am 18. Oktober 2017 kommuniziert.

Die Inkassostelle Billag wurde doch bereits abgeschafft?

Das ist fast richtig. Nach einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im März 2017 das Mandat zur Erhebung der künftigen Haushaltsabgabe der Serafe AG erteilt. Die Billag wird bis zum Schluss des heutigen Systems die Empfangsgebühren weiterhin erheben. Die Ablösung findet am 1. Januar 2019 statt. Ab dann sinken die Gebühren um 86 Franken auf 365 Franken pro Jahr.

Betrifft die Initiative nur die SRG?

Im Gegenteil – die Initiative ist schädlich für die gesamte schweizerische Medienlandschaft. Neben der SRG mit ihren Sendern SRF, RTS, RSI, RTR und SWI erhalten verschiedene lokale und regionale Radio- und TV-Stationen 67,5 Mio. Franken Gebührengelder. Es sind dies:

3 sprachregionale Radioprogramme

  • Open Broadcast, Radio Vertical, Swiss Mountain Holiday Radio

22 Lokal- und Regionalradios sowie koplementäre Radios

  • Radio BeO, BNJ FM, Radio Canal 3, Radio Chablais, Radio Fiume Ticino, Radio Freiburg, Radio Fribourg, Radio Munot, Radio Neo 1, Radio R3iii, Radio Rhône FM, Radio Rottu Oberwallis, Radio Südostschweiz, Radio 3fach, Radio Cité, Radio Kanal K, Radio LoRa, Radio RaBe, Radio RaSa, Radio Stadtfilter, toxic.fm, Radio X

13 regionale TV-Stationen

  • Canal9/Kanal 9, Canal Alpha, la téle, Léman bleu, TV Südostschweiz, Tele 1, Tele M1, TVO, Tele Top, TeleBärn, TeleBasel, TeleBielingue, TeleTicino
Wie weiter mit öffentlichem Radio und Fernsehen (audiovisueller Service public), wenn die Initiative angenommen wird?

Mit einer Annahme der No-Billag-Initiative würde die SRG zerschlagen – viele private Anbieter würden ebenfalls mit ihr zugrunde gehen. Die Initiative verlangt explizit die Abschaffung des Service-public-Auftrags. Die Sendungen, welche die Integration der verschiedenen schweizerischen Sprachgemeinschaften, Religionen, Generationen, Menschen mit Migrationshintergrund und weiteren gesellschaftlichen Gruppierungen fördern, würden wegfallen. Denn sie sind nicht durch den Markt finanzierbar.

Warum wird es in der Schweiz immer schwieriger, mit Journalismus gutes Geld zu verdienen?

Etliche Verleger sind in der ungemütlichen Lage, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Die Werbung wandert ins Internet ab und die Verlage holen aus dem Internet bestenfalls zehn Prozent der Werbeeinnahmen zurück, die sie mit ihren Druckerzeugnissen verloren haben. Die Kleinanzeigen, früher das Rückgrat einer Zeitung, sind auf Onlinemarktplätzen zu finden; sie finanzieren jedoch den Journalismus nicht mehr. Hinzu kommt der von den Verlegern mit ihren Gratiszeitungen geförderte Anspruch der Konsumentinnen und Konsumenten, jederzeit Nachrichten gratis angeboten zu erhalten.

Ist die SRG ein Staatssender?

Nein, die SRG ist kein «Staatssender» und auch nicht ein «öffentlich-rechtlicher Sender» wie etwa die britische BBC, sondern eine privatrechtliche Anstalt resp. ein öffenltiches Medienhaus. Niemand darf sich in die redaktionelle Arbeit der SRG einmischen, auch nicht die Politik. Das liegt an der Entstehung des Unternehmens, es wurde als Verein gegründet und ist es bis heute geblieben. Am Anfang standen Bastler und Hobbyfunker, die sich 1931 zusammenschlossen – zu einem Verbund der damaligen lokalen Radiogesellschaften. Darum erfolgte die Finanzierung nie über Steuern, sondern ursprünglich über Hörerbeiträge.

Wer profitiert von einer Annahme der Initiative?

In der Schweiz profitiert auf den ersten Blick niemand – die No-Billag-Initiative produziert vordergründig nur Verlierer. Bei genauerer Betrachtung sieht es anders aus: Werden erst einmal Konzessionen versteigert, dann wird die Macht über Radio- und Fernsehstationen zum Spielzeug für Milliardäre. Statt einer Umsatzrendite fahren sie eine politische Dividende ein. Diese gefährliche Ballung von Kapital, Medienmacht und Politik kennen wir von Italien, wo Silvio Berlusconi nach wie vor grossen Einfluss über sein gut ausgebautes Medienimperium ausübt.

Auch in der Schweiz gibt es solche Anzeichen: der Kauf von lokalen Gratiszeitungen mit 700'000 Leserinnen und Lesern durch die BaZ-Holding von Christoph Blocher.

Und wer verliert?
  1. Das Publikum verliert: 90 Prozent der Sendungen von SRF wären für Private ein Verlustgeschäft, sie würden ersatzlos gestrichen.
  2. Die Demokratie verliert: Ohne SRF würde die freie Meinungsbildung weniger gefördert.
  3. Die «Kleinen» verlieren: Zahlreiche Privatsender, die von den Gebührengeldern profitieren, verlören ihre Grundlage.
  4. Der Medienplatz verliert: Der Marktanteil ausländischer Sender würde massiv wachsen (aktuell: ca. 60 Prozent). Auch die privaten Medienhäuser profitieren nicht von einer Annahme.
  5. Die Volkswirtschaft verliert: Eine der wichtigsten nationalen Werbeplattformen ginge verloren
  6. Der Föderalismus: Die Zentralisierung der Medienlandschaft würde fortschreiten
  7. Die Kultur: Die finanzielle Unterstützung für das SchweizerFilmschaffen würde wegbrechen. Auch das Musik- und Literaturschaffen würde einen wichtigen Partner und Auftraggeber verlieren.
  8. Der Sport: Die meisten Live-Übertragungen wären nur noch im Bezahlfernsehen oder auf ausländischen Kanälen zu sehen. Rund 100 Sportarten würden ihre wichtigste mediale Bühne verlieren.
  9. Die Unterhaltung: Viele beliebte Unterhaltungssendungen mit starkem Schweiz-Bezug würden sich wegen hoher Rechte- und Produktionskosten für Privatsender nicht rechnen.
Was hat das gebührenfinanzierte Radio und Fernsehen mit nationaler Solidarität zu tun?

Der heutige Service public schliesst die gesamte Bevölkerung in allen Landesteilen ein. Die Schweizer Solidarität zugunsten des nationalen Zusammenhalts funktioniert: Über 70% der SRG-Einnahmen kommen aus der Deutschschweiz, aber nur 43% werden für die Angebote in deutscher Sprache eingesetzt. Die Differenz dient der Mitfinanzierung eines guten Radios und Fernsehens in den drei kleineren Landesteilen. Die französisch-, italienisch- und rätoromanischsprachige Schweiz hat dank dem Service public der SRG Zugang zu einer umfassenden, ausgewogenen und unabhängigen Berichterstattung. Diese Solidarität – eine grosse Stärke der Willensnation Schweiz – muss dem Land erhalten bleiben.

Was sagen die Politiker?

Nach Ansicht der Mehrheit im Parlament sorgen die Gebühren für eine gute Grundversorgung mit Informationen und Sendungen in allen Sprachregionen; in der Schweiz spricht man von «Service public». Die kleine Kammer, der Ständerat, lehnt die Initiative ab und will sie dem Volk mit dieser Empfehlung unverändert unterbreiten. Die grosse Kammer, der Nationalrat, hat nun entschieden, dass die Initiative in der vorliegenden Form ohne Gegenvorschlag vors Volk kommt.

Mit Ausnahme von wenigen Politikern aus dem rechten Spektrum finden alle im Parlament, dass die Schweiz mit dem «Service public»-Konzept auch künftig gut fahren wird. Das Gebührensystem sei für das Funktionieren der Demokratie und für den Zusammenhalt der Schweiz zentral, befand etwa die vorberatende Kommission des Ständerats. Gestritten wird aber über den Umfang der Gebühr, und welche Leistungen damit erbracht werden sollen.

Das Volk wird am 4. März 2018 über die Initiative befinden. Diese wurde übrigens nicht von der Politik lanciert, also nicht von einer Partei, sondern von einem Komitee, das sich aus Privatpersonen zusammensetzt.

Wieso werden die Gebühren nicht einfach über die Steuerrechnung eingetrieben?

Vor der Abstimmung über das neue Mediengesetz im Juni 2015 hat der Bundesrat alternative Inkassomodelle überprüft und alle verworfen. Unter anderem auch die Abwicklung über die direkte Bundessteuer. Die Medienministerin Doris Leuthard äusserte sich dazu gegenüber der Aargauer Zeitung: «Das hat der Bundesrat geprüft, aber es hat sich als nicht praktikabel erwiesen. Ein Drittel der Haushalte bezahlt keine Bundessteuer, für die Kantone wäre es zudem ein Mehraufwand.» Und eine Erhebung über die direkte Bundessteuer wäre gemäss Bundesrat nur vermeintlich kosteneffizienter, denn die Verfassung verlangt, dass 17 Prozent von deren Ertrag als Aufwandsabgeltung bei den Kantonen bleibt. Die Billag macht heute den Job nicht gratis, aber massiv günstiger. Bei einer Finanzierung aus der Bundessteuer wäre zudem die Unabhängigkeit zwischen Bund und SRG in Gefahr.

Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnte der Bundesrat aus zwei Gründen ab: Einerseits würde der Weg nur über einen langen Prozess einer Verfassungsänderung gehen und andererseits wäre auch bei einem Mehrwertsteuermodell die Möglichkeit von politischer Einflussnahme nicht gebannt.