09. Januar 2018

Biglers «Plan B» ist ein Blindflug

Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.
Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.

Was geschieht, wenn am 4. März die «No Billag»-Initiative angenommen wird? Hans-Ulrich Bigler & Co. präsentierten heute Nachmittag ihren «Plan B». Die SRG sei «hervorragend aufgestellt» und könne auch ohne Billag-Gebühren ein gutes Programm bestreiten, sagten sie. Die Vorschläge dürfen als abenteuerlich bezeichnet werden. Während mehr als einer Stunde wurde ein Potpourri angerührt: Mehr Markt, Abzocker-Parkgebühren, Doris-Leuthard-Schelte, Kampfbegriffe und ein «Remake» der RTVG-Diskussion. Wie es in der fragilen Phase nach einem Ja im März bis Ende 2018 weitergehen würde, konnten Bigler & Co. nicht erläutern. Ihr «Plan B» hört am 4. März auf.

Kampagnenleiter Mark Balsiger zerpflückt aus zeitlichen Gründen nur drei Argumente, ergänzt mit ein paar Schlussbemerkungen:

1) Mit Abo-Gebühren und Pay-on-Demand sollen jährlich etwa 400 Millionen Franken eingespielt werden.
Tatsache ist: Die Leute sind nur bereit, für Sport, populäre Spielfilme und Serien zu bezahlen. In allen europäischen Ländern und selbst in den USA gibt es keine TV-Station, die Informationssendungen mit einem Bezahlsystem anbietet. Und die USA sind mit 320 Millionen Einwohnern ein fast 60 Mal grösserer Markt als die deutsche Schweiz.

Was Rainer Stadler, seit 1989 Medienredaktor der NZZ, am 14. November 2017 zu diesem Thema schrieb: «Es verwundert, dass einige Exponenten weiterhin behaupten, eine private SRG könne sich künftig als Abonnementssender behaupten. Wer solches sagt, ist unredlich, oder er hat keine Ahnung von medienökonomischen Zusammenhängen. Ein Blick in die Nachbarländer genügt, um zu erkennen, dass das nicht funktioniert.»

2) Die SRG-Funktionäre können heute ohne demokratische Legitimation und am Souverän vorbei über 1,2 Milliarden Franken Steuergelder entscheiden.
Tatsache ist: Das Schweizer Stimmvolk hat im Juni 2015 das neue Gebührenmodell angenommen. Laut dem neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) ist das Verteilen der Gebühren an präzise Auflagen geknüpft. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ist ein privatrechtlich organisierter Verein, der 24'000 Mitglieder zählt. Sie gehört dem Volk und ist unabhängig. Genau dieser Verein sorgt dafür, dass der Leistungsauftrag eingehalten wird.

3) TeleZüri zeigt, dass man sich am Markt behaupten kann.
Tatsache ist: Von einer Ausnahme abgesehen sind alle regionalen TV-Sender auf einen erheblichen Gebührenanteil angewiesen (im Durchschnitt beträgt er 49%). TeleZüri hat eine Sonderrolle, weil es rund 2,5 Millionen Menschen im grössten Wirtschaftsraum des Landes erreicht. Sein Programm zeigt, was möglich ist und was nicht. Der Glaube, TeleZüri würde bei einer schlankeren SRG mehr Werbung erhalten, ist allerdings naiv. Profitieren würden die anderen grossen im TV-Markt, die schon seit Jahren grosse Werbefenster bespielen: Sat1 und Pro7.

Ein «Plan B» für die 34 Privaten existiert nicht

Wie der «Plan B» für die 34 betroffenen privaten Radio- und TV-Sender aussieht, blieb an der Medienkonferenz offen. Bigler & Co. sprachen vage von «mehr Markt».

Auffallend: Laut den Unterlagen soll der Staat 200 bis 250 Millionen Franken pro Jahr einschiessen; das wären dann wieder unsere Steuergelder. Das sei für Programme gedacht, hiess es auf Nachfrage. Wir erinnern uns: Die Initianten wollen ab dem 1. Januar 2019 ein Verbot von Radio- und TV-Empfangsgebühren in der Bundesverfassung. Klingt nach Kakophonie, die Fasnacht steht vor der Türe.

Halten wir fest: Was Bigler & Co. präsentierten, ist kein «Plan B», sondern ein Blindflug. Für die höchst fragile Phase, die Anfang März bei einem Ja sofort beginnen würde, haben sich der SGV-Direktor und seine Leute offenbar noch keine Gedanken gemacht. Jedenfalls blieben sie Antworten darauf schuldig.

Reden wir Klartext: Von Medienökonomie verstehen diese Leute nichts. Keiner der Protagonisten verfügt über Erfahrung im Aufbauen und Führen eines Radio- oder TV-Senders, entsprechend sind ihre «Berechnungen» einzustufen. Sie versuchen, mit ihre «Plan B» die Bevölkerung irrezuführen.

Interessant: Jahrelang liessen Bigler und seine Getreuen kein gutes Haar an der SRG, systematisch wurde auf den «Staatssender» eingedroschen. Nun haben sie plötzlich ihre Strategie geändert, weil sie erkennen, wie unüberlegt die «No Billag»-Volksinitiative ist. (Um die Selbsterkenntnis eines Co-Initianten zu übernehmen: «Es war eine Bieridee.») Bigler & Co. lobten heute die SRG in den höchsten Tönen, der Direktor des Gewerbeverbands sprach sogar von «einem Juwel». Man glaubte, sich verhört zu haben.

Glaubwürdig ist diese Offensive nicht! Bigler & Co. wollen die SRG an die Wand fahren. Was mit den 34 privaten Radio- und TV-Sendern geschieht, die ebenfalls auf Gebühren angewiesen sind, ist ihnen egal. Mit seiner Kampagne suggeriert der Schweizerische Gewerbeverband, er tue den betroffenen Sendern einen Gefallen. Das ist ein falsches Spiel.

Ergänzend:

- Der Instant-Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung»
- «Medienwoche»: Die sieben Illusionen des Gewerbeverbands (Matthias Zehnder)
- NZZ-Kommentar: Spekulatives Zahlen-Szenario (Rainer Stadler)
- «Tages-Anzeiger»: «Viele glauben, die SRG überlebe das schon»
(Interview mit Medienwissenschaftler Mark Eisenegger)